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Die Johannesoffenbarung in der Musik

Samstag, 4. Februar 2011

«Die letzten Dinge» von Louis Spohr

In der Kirche Langnau im Emmental war am 4. und 5. Februar 2011 das Oratorium «Die letzten Dinge» von Louis Spohr zu hören. Unter Leitung von Christoph Metzger brachte der Konzertchor und das Orchester gemeinsam mit vier Gesangssolisten das Werk zur Aufführung.
Der 1784 geborene Louis Spohr war nicht nur einer der grössten Violinisten seiner Zeit, er war auch ein gefragter Dirigent und erfolgreicher Komponist. Seine Werke wurden zu Lebzeiten vom Publikum begeistert aufgenommen. So wurden «Die letzten Dinge» 1854 mit grossem Erfolg auch in Bern aufgeführt und Spohr danach ausgelassen gefeiert. Nach Spohrs Tod 1859 gerieten seine Werke mehr und mehr in Vergessenheit.
Das immer wieder vorausgesagte Weltende – das Jüngste Gericht – beschäftigt die Menschen seit jeher. Der Text des Oratoriums gründet hauptsächlich auf der Offenbarung des Johannes. Spohrs gefühlsstarke Musik mit ihrem vollen Klang und ihren dramatischen Wendungen packt auch den modernen Zuhörer mit grosser Eindringlichkeit.
Bei der Uraufführung in der Kirche in Kassel wirkten beinahe 200 Musiker mit und 2000 Zuhörer wohnten der Aufführung bei. (aus «Wochenzeitung für das Entelbuch und das Emmental, 4. Feb. 2010)

>>> auf YouTube finden sich viele Aufnahmen des Oratoriums.

Samstag, 24. November 2007

Zum Oratorium «Das Buch mit sieben Siegeln» von Franz Schmidt

tonhalle_zürich

Das Oratorium mit dem Gemischten Chor Zürich, dem Basler Bach-Chor und der Basel Sinfonietta wurde am 17. November im Basler Münster aufgeführt, dann eine Woche später am 24. Nov. in der Tonhalle Zürich.
Ich besucht das Konzert in Zürich samt Einführung von Prof. Dr. Dominik Sackmann.

Das Bild stammt aus der Aufführung in Zürich (durch Klick vergrössern)
Hier zu kleinen Tondokumenten:
>>> «Wer kannbestehen»
>>> «Singest sein Lob» 
>>> «Männerchor: Wir daken dir …»

>>> Zum Text des Oratoriums als PDF

Zur Einführung von Prof. Dr. Dominik Sackmann.
Ich wusste gar nichts von dem Werk. Hajes Wagner, der in Basel Theologie studiert, hat mich auf die Aufführungen aufmerksam gemacht. Nach Basel hat es mir nicht gereicht. So fuhr ich nach Zürich und liess mir in der Einführung gerne dies und das erklären: Im kleinen Saal der Zürcher Tonhalle hielt Dominik Sackmann sein halbstündiges Referat, feierlich unter einer Nachttischlampe an einem Tischchen:
Zuerst Überlegungen zum ästhetischen Genuss: dass dieser auch durch Einordnungen geschehe – denn die Komposition könnte als rückständig empfunden werden für die Zeit, in der parallel Schönberg seine Zwölftonmusik schrieb.
Im 20. Jahrhundert ein Oratorium im romantischen Stil? Oratorien hatten im Jahrhundert davor ihre Zeit. Allerdings gebe es vereinzelt Parallelen: Der Schweizer Hermann Sutter mit seinen Laudis von Franz von Assisi und in Deutschland Carl Orff mit der Carmina Burana, 1938 uraufgeführt.
Dass der Österreicher (ursprünglich ungarisch) Franz Schmidt am Vorabend des Zweiten Weltkrieges ein Oratorium zur Apokalypse des Johannes komponierte, habe auch mit eigenen Erlebnissen zu tun. Seine Tochter starb jung, er selber war schon sehr kränklich. Der grosse Musiker wünschte, ein grosses Werk zu hinterlassen. Ev. habe im Hintergrund ein Priester anregend gewirkt.
Was die Textgrundlage betrifft, referiert Sackmann einige Gedanken von Pfarrer Frank Christ zur Apokalypse des Johannes. Das ist in Etwa das, was die Theologie heute dazu sagt: Urchristliche Schrift, von einem Propheten aus Palästina, der nach Ephesus floh und in der Verbannung auf Patmos ein Trostbuch für die sieben Gemeinden schrieb – gegen den aufkommenden Kaiserkult Roms, einen Visionszyklus, in dem das gefallene Jerusalem durch das neue Jerusalem abgelöst wird.
Dominik Sackmann erinnert daran, dass Schmidts Werk auch kritisiert wurde: Weil er den nahenden Nationalsozialismus nicht kritisiert, das Werk nicht aktualisiert, gar einen Sieg verherrlicht. War er einfach naiv?
Dann geht Sackmann auf musikalische Elemente ein. Die Aufteilung mit Prolog und zwei Teilen zeige das dramatische Talent. Es gebe Leitmotive wie bei Wagner, so für den Drachen, für das Buch im Himmel. Er spielt mit alten Kirchentonarten, mit Halbtönen. Die Pasacallia zum Gesang, dass niemand das Buch öffnen kann, sei sieben mal versetzt, sodass alle 12 Töne darin vorkommen. Fugen seien prominent platziert, die Instrumente als Sinnträger eingesetzt, so die Trompete, die Posaune, das Fagott, die Orgel … Das Werk habe musikalische durchaus das Niveau von Bachs Passion.
Zur Person: Franz Schmidt, geboren in Bratislava, habe quasi die Musik als Muttersprache mitbekommen, er war begabt in allem, spielt Klavier, Cello, war Lehrer für Komposition, zuletzt Rektor in Wien.

Soweit meine Notizen zum Vortrag von Dominik Sackmann.

Schmidt Deutung der Apokalypse
Mir selber sind, da ich die Apokalypse als Text gut kenne, einige Punkte aufgefallen, quasi zur Theologie der Apokalypse, die hier im Hintergrund steht.
Der Aufbau:  «Prolog – 1. Teil – 2. Teil» hat seine eigene Logik und Sinnhaftigkeit, allerdings auch seine Grenzen und Zwänge. Die Himmelsschau des 4. und 5. Kapitels ist zentral und verdient es, in einem ausführlichen Prolog behandelt zu werden. Denn diese Visionen zielen auf den Moment, wo das Buch mit seinen sieben Siegeln in der Hand Gottes sichtbar wird und das Lamm würig ist, es zu empfangen. Diese ganze Szene ist im Prolog ausführlich dargestellt.
Es gibt auch die Theorie, wonach die Öffnung der sieben Siegel dieses Buches die Apokalypse des Johannes ist und für sich das ganze enthält – wenigstens in einem literarischen Vorbild des Autors der Apokalypse. Im der Johannesoffenbarung mit den 22 Kapiteln nimmt die Öffnung der sieben Siegel aber nur einen knappen Raum ein, nämlich Kapitel 6 und 7. Es folgt der Posaunenzyklus mit sieben entsprechenden Bildern (8./9. Kap.) , ebenso der siebenfache Zyklus der Zornschalen (15./16. Kap.), dazwischen vielerlei Visionen, etwa das Verschlingen eines weiteren Buches durch Johannes (10. Kap.), das Aufsteigen der Tiere aus dem Abgrund (Kap. 13), die Hure Babylon und deren Vernichtung (17./18. Kap.) und die Szenen des neuen Jerusalems (20./21. Kap.).
Schon in der alten Kirche wurde die Rekapitulationstheorie vertreten, wonach im Posaunenzyklus und im Zornschalenzyklus mit je sieben Bildern dasselbe in Variationen geschaut und berichtet wird (nach Rudolf Steiner sind das verschiedenen Hierarchien oder Zyklen der Erdentwicklung). Denn alle diese drei Zyklen, sogar die sieben Sendschreiben, zeigen eine zeitliche Entwicklung vom Anfang (oder der Jetztzeit) zum Ende der Schöpfung. Dann aber bleibt das Problem, wie all die Zwischenstücke oder die längeren Zyklen der Tiere, der Hure Babylon, des 1000-jährigen Reichs des Endkampfs, des letzten Gerichts und der neuen Schöpfung platziert werden. Denn auch in diesen Bildern zeigt sich eine zeitliche Abfolge hin zur Vollendung.
Um diese Fülle einigermassen in eine verständliche und sinnvolle Abfolge zu bringen, vor allem für die Darstellung in einem Oratorium, muss der Stoff gegliedert werden. Soll das nicht willkürlich geschehen, muss ein theologisches Konzept an die Apokalypse herangetragen werden. Das ist meiner Ansicht nach der Fall im Oratorium von Franz Schmidt. Der Uraufführung am 15. Juni 1938 waren Erläuterungen von Franz Schmidt beigefügt, welche das Programmheft der Basler und Zürcher Aufführung enthält. Diesen Ausführungen entnehme ich, dass das Grundkonzept der Textvorlage nicht von ihm stammt, sondern von einem Theologen im Hintergrund. Denn was Schmidt da über die Textgestalt sagt, widerspricht in vielem dem Textbefund der Apokalypse des Johannes.

Der Prolog
«Meines Wissens ist mein Versuch, die Apokalypse zusammenhängend zu vertonen, der erste, der bisher unternommen wurde, einzelne dazu besonders geeignete Stelen wurden allerdings schon wiederholt komponiert. Als ich an diese Riesenaufgabe herantrat, war mir klar, dass die Voraussetzung dazu darin lag, den Text auf eine Form zu bringen, die alles wesentliche womöglich dem Wortlaute nach beinhaltet und dabei die geradezu unübersehbaren Dimensionen des Werkes auf durchschnittlichen Menschenhirnen fassbare Masse brachte. Dabei sollte der Bau in seinen äusseren Umrissen und inneren Zusammenhängen intakt bleiben.»
Schmidt sieht die Aufgabe, aber seine folgenden Bemerkungen zeigen, das er sich über die Vielschichtigkeit und Komplexität hier nicht genügend Rechenschaft gibt uns seine Interpretation als die Konsequenz des Urtextes darlegt.
«Mit Ausnahme des Umstandes, dass ich die Briefe des Johannes an die sieben Gemeinden zu einer Begrüssungsansprache vereinigte, hielt ich mich zunächst ganz an das Original; …» Dieses «zunächst» muss beachtet werden, denn es enthält die Entschuldigung, dass später das Konzept nicht in allem dem gang des Bibeltextes folgt. «… die Berufung des Johannes durch den Herrn, sein Erscheinen vor dem Thron, die Huldigungszeremonie, das Buch in der Hand des Herrn, die Vision des Lammes, das Entgegennehmen des Buches durch das Lamm, all dies ist beinahe im Wortlaut dem Original nachgebildet. Der abschliessende kurze Dankgottesdienst rundet den Akt zu einem «Prolog im Himmel» ab (eine Anspielung an Faust? – nur dass es hier um die Menschheit als Ganze geht).

Der erste Teil des Oratoriums: Der Siegelzyklus
Wie schon gesagt, wird im folgenden ersten Teil der Siegelzyklus geschildert, welchen Schmidt aber als einen Gang von der Heilszeit bis zum Ende der Welt schildert und dabei spätere Elemente der Apokalypse einbaut. Ich denke da vor allem an die Ausgestaltung des ersten weissen Reiters mit Attributen jenes siegreichen Messias aus dem 19. Kapitel. Schon die alte Kirche hat darüber diskutiert, ob der erste apokalyptische Reiter der siegreiche Christus ist. In der aktuellen theologischen Literatur wird diese Identifizierung grösstenteils abgelehnt. Denn es bleibt schwer verständlich, warum der Sieg in der Reihe der Apokalyptischen Reiter mit ihren Plagen allem anderen vorausgeht (Steiner spricht da von Heilstaten Christi vor seiner Menschwerdung). 
Weil Schmidt anhand des Siegelzyklus (sein Werk heisst «das Buch mit sieben Siegeln») bereits die ganze Endzeit entfaltet, bleibt ihm für den zweiten Teil nur das Endgericht anhand des Posaunenzyklus und die Beschreibung der neue Welt – ohne dabei das Wort Jerusalem zu erwähnen. Den zweiten Teil lässt er aus der Stille nach dem siebten Siegel entstehen, womit auch dieser letzte Teil in die Siegelvisionen integriert bleibt.
Zum ersten Teil schreibt Schmidt: «Der nun folgende erste Teil des Werkes bringt die Lösung der ersten sechs Siegel durch das Lamm: Die Geschichte der Menschheit wird voraus erzählt. Nach segens- und hoffnungsreicher Ausbreitung der christlichen Heilslehre durch den weissen Reiter (Jesus Christus) und seine himmlischen Heerscharen verfällt die Menschheit in Nacht und Wirrsal; der blutrote Reiter überzieht die Welt mit seinen höllischen Heerscharen und stürzt die Menschheit in den Krieg aller gegen alle. Der dritte (schwarze) und der vierte (fahle) apokalyptische Reiter führen weiterhin die Folgen des Weltkriegs vor: Hungersnot und Pest. Die Menschheit ist zum grössten Teil zugrunde gegangen und in Verzweiflung versunken: Nur ein kleiner Rest hält noch am Glauben fest. Beim Aufbrechen des fünften Siegels treten die Seelen der Glaubensmärtyrer und anderer Opfer menschlicher Verbrechen in Erscheinung. Sie rufen nach Gerechtigkeit und Vergeltung. Der Herr heisst sie noch ausharren und verspricht ihnen Gerechtigkeit am Tage des grossen Gerichts. Da der grösste Teil der noch übrigen Menschheit auch weiterhin in Sünde und Verstocktheit verharrt, vertilgt sie der Herr durch Erdbeben, Sintflut und Weltbrand, was durch das Aufbrechen des sechsten Siegels offenbar wird.»
War Schmidt selber in einer apokalyptischen Stimmung? Er bezieht die Kriege und die Hungersnöte aktuell auf den ersten Weltkrieg. Das grosse Gericht wird erst noch folgen. Die unschuldigen Opfer werden gerächt werden. Der Text des Oratoriums bei der Öffnung des zweiten Siegels ist freie Dichtung! Im Lied der Krieger erkenne ich klar als einen antimilitaristischen Einschlag. «Schlagt um euch! Mordet! Zündet an! Plündert! Schonet das Kind nicht im Mutterleib! Seit stark!» Die Frauen antworten: «Schonet uns Mütter! … Ach, ihr armen Kleinen! Erbarmen! Verschonet die Kinder, verschonet die Kleinen!» Die Krieger: «Heulende Weiber! Ihr seid des Todes! Ihr und eure Brut! Ihr alle! Nein! Keine Gnade euch! …» und so geht es weiter, alles frei gedichtet nach Eindrücken des Krieges, nicht nach der Apokalypse, ebenso bei dem dritten Reiter, wo es um den Hunger geht: «Mutter, ach Mutter! O siehst du nicht, wie ich sterbe vor Hunger …» Tochter und Mutter flehen: «Vater, o Vater im Himmel! Warum suchst du heim uns so schrecklich mit Hunger und Not? Sündig, ja sündig sind viele und schlecht, unbekehrt und ungläubig bis in den Tod. Uns, die wir tragen dein Siegel auf unserer Stirne, auch uns trifft dein furchtbarer Zorn? Ihr Schwestern, seid standhaft im Leiden! Denn harren wir aus, ist der Sieg uns gewiss.»  – Hier wird die Frage nach dem Leiden der Gerechten aufgerufen, warum? Und bereits wird die Versiegelung ins Spiel gebracht. Die Versiegelung der 144'000 erfolgt aber erst als Zwischenstück nach der Öffnung des sechsten Siegels im 7. Kap. Mit dem Stoff und den Motiven wird hier recht frei umgegangen. Denn in der Johannesoffenbarung enthalten die Passagen zu den apokalyptischen Reitern jeweils nur wenig Zeilen, Schmidt muss sie literarisch ausdehnen, um die Öffnung der Siegel als Hauptinhalt der Apokalypse zu entfalten. Dabei entfällt die rhythmisch wiederholte Dramatik, dass je eines der vier Tierwesen um den Thron Johannes aufruft «Komm!» Umso realistischer wird die Wirkung des jeweiligen Reiters entfaltet.
Doch die Dramatik hat vieles für sich. Die Öffnung der sieben Siegel könnte tatsächlich ein apokalyptisches Motiv darstellen, das für sich ursprünglich ein ganzes war. Der Text des Oratoriums rekurriert auf dieses im Buch geeinte Ganze und nimmt das Buch als Aufbauprinzip für das ganze Oratorium. Mit dem sechsten Siegel naht der Tag des Zorns, das grauselige Endgericht. Wer kann da bestehen?

Der zweite Teil desOratoriums: Das Endgreicht
Nach der Pause eröffnet ein chromatisches Orgelsolo den zweiten Teil. An das Schweigen im Himmel nach der Eröffnung des letzten Siegels (Apokl. 8.1) folgt gleich mit Kapitel 12 die apokalyptische Frau und der Drachensturz, alles recht ausführlich dem Originaltext folgend. Johannes erzählt solistisch: «Da erschien ein grosses Zeichen am Himmel, Ein Weib, umkleidet mit der Sonne, den Mond unter ihren Füssen, und auf ihrem Haupte eine Krone von zwölf Sternen. Sie war gesegneten Leibes uns sollte gebären. …» Es folgt der Streit im Himmel, der Drachensturz und dann eine Zusammenfassung der folgenden Kapitel: «Dem Drachen folgten alle, deren Namen nicht geschrieben sind im Lebensbuch des Lammes von Anbeginn der Welt.» Und gleich springt der Text zum Endkampf des Messias (Kap. 19): «… der Reiter auf weissem Ross, der König der Könige, der Herr der Herren, das Wort Gottes, erschien, gefolgt von den himmlischen Heerscharen. Und alle, die dem Drachen gefolgt waren, sie alle wurden getötet. Ein Engel aber stieg vom Himmel nieder. Der hatte den Schlüssel zum Abgrund und eine grosse Kette in der Hand. Und er ergriff den Drachen, die alte Schlange, die da heisst auch der Teufel oder Satan, und band ihn für tausend Jahre. Und warf ihn in den Abgrund und verschloss und versiegelte ihn über ihm, dass er nicht mehr verführen solle die Völker der Erde.»
Hier wird als gleich nach dem Drachensturz die grosse Verführung durch die Tiere in wenigen Sätzen resümiert, um bis zum 1000-jährigen Reich zu springen (es bleibt unbedeutend), das im Original kurz vor dem Ende vorgesehen ist (Kapitel 20, 1-6).
«Und als die grosse Stille im Himmel vorüber war, sah ich sieben Engel vor dem Thron Gottes stehen, und es wurden ihnen gegeben sieben Posaunen. Und die sieben Engel rüsteten sich zum Blasen. Und eine jegliche der Posaunen verkündete viel Wehe über die Welt …» Was hier folgt, nämlich der Posaunenzyklus als letztes Gericht, ist in der Johannesoffenbarung ein relativ früher Zyklus aus dem Kapiteln 8 und 9. – Doch genau in der Verzahnung der verschiedenen Zyklen liegt auch eine Genialität des Werks. Denn die Zyklen folgen nicht einfach zeitlich hintereinander, sondern spiegeln Entwicklungen auf verschiedenen Ebenen. Hier, im zweiten Teil, ist der Posaunenzyklus als das letzte Gericht dargestellt mit seinen Wehen (obwohl die Offenbarung nur von drei Wehen weiss). Der Posaunenzyklus bringt gegenüber dem Siegelzyklus nicht viel neues, in vielem wiederholt und steigert er einfach den Siegelzyklus. Wie schon der Siegelzyklus gegen Ende auf das Endgericht ziehlt, so hier der Posaunenzyklus. Wie die siebte Posaune ertönt heisst es: «Nun sind die Reich dieser Welt unseres Herrn geworden! Er wird herrschen von Ewigkeit zu Ewigkeit! Gott der Herr regiert die Welt! Ewig ist seine Gewalt über alles. Sein Reich ist überall (freie Dichtung). Gott hat die Herrschergewalt über alle Reicht dieser Welt an sich genommen. Gott untertan sind alle Reiche dieser Welt, und seine Herrschaft währet ewig Gottes Gebot herrschet ewiglich! Singet sein Lob! Preiset Gott! Singest sein Loblied! Singest Lob und preist Gott den Herrn!» – Es folgt der Schluss, wo Johannes das Endgreicht beschreibt: Die Toten versammeln sich, das Buch des Lebens wird aufgeschlagen, die darin aufgeschriebenen erlangen das ewige Leben. Der Herr besingt dann rührend, so dass mir die Tränen fliessen, die ewige Welt. Er wird unter uns wohnen, alle Tränen abwischen. Der Chor singe ein machtvolles Hallelujah, der Mönnerchor einen gregorianischen Lobgesang, Johannes bezeugt nochmals seine Zeugenschaft … «Und die Gnade Gottes, des Herrn, sei mit euch allen! Amen!» Der Chor: «Amen!»

Nun aber nach diesen Textbeobachtungen im 2. Teil endlich das, was Franz Schmidt selber zum zweiten Teil sagt: «Der zweite Teil beginnt mit der grossen Stille im Himmel, die beim Öffnen des siebenten Siegels eingetreten ist. Während dieser Stille erzählt uns Johannes gleichsam in Parenthese die Geschichte des wahren Glaubens und seiner Kirche von der Geburt des Heilands angefangen, von ihren Kämpfen gegen die Anhänger des Teufels und deren falsche Lehren und von ihrem endgültigen Sieg.
Nach dem grossen Schweigen im Himmel, das bis an das Ende aller irdischen Zeit während anzunehmen ist, rüsten die sieben Posaunenengel zum Blasen des schauerlichen Appels für das Jüngste Gericht. Aber dieses selbst berichtet Johannes wie im Original nur kurz, um aber umso eindringlicher darzulegen, dass die Weltenwende angebrochen sei, dass nunmehr eine neue Erde jene trage, die das ewige Leben haben und das ein neuer Himmel über ihnen blaue. Und der Herr spricht zu den Geläutgerten, dass er mit ihnen wohne und sie seine Kinder seien und er ihr Vater sein werde. Nachdem die Geläuterten dem Herrn mit Hallelujah gedankt und gehuldigt haben, schliesst Johannes seine Offenbarung mit einer kurzen, erläuternden Abschiedsrede ab.»
Was fällt mir hier auf? – Dass Schmidt tatsächlich den Siegelzyklus als die ganze Apokalypse deutet, da der zweit Teil als Geheimnis der Stille sich bis zum Ende hinzieht und nur die Heilgeschichte rekapituliert und zum Endgericht und zur neuen Welt führt.

Schlussfolgerungen
Ich habe Respekt vor dieser mutigen und originellen Deutung der Johannesoffenbarung! Und ich glaube Franz Schmidt, wenn er anschliessend schreibt: «Ich habe mich also, mit Ausnahme der oben einbekannten Elision, genau an das Original gehalten und habe zu dem Werk einzig vom Standpunkte des tiefreligiösen Menschen und des Künstlers aus Stellung genommen».

Es bleibt rätselhaft, ob Franz Schmidt den Text selber entworfen oder doch eher erhalten hat – denn sein Kommentar referiert eher Nebensächliches zum Text und gibt über die ganze Anlage so wenig preis, dass ich annehme, das ihm dieser vorgegeben worden ist. – Aber warum nennt er den Autor nicht? Die Apokalypsetheologie des Oratorientextes zeugt nämlich von grosser Bildung und Kenntnis. Hat sich der Komponist selber so tief in die Materie eingearbeitet? Ich muss diese Fragen offen halten.  (28.11.2007)

Weitere Informationen:

https://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Schmidt

https://de.wikipedia.org/wiki/Das_Buch_mit_sieben_Siegeln

https://www.bach-verein.de/konzertchronik0/schmidtbuchmitsiebensiegeln/index.html

https://www.feinschwarz.net/das-buch-mit-sieben-siegeln-bibelrezeption-1938/

 

 

 
 
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