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Ursprung und Wesen der Apokalyptik

Im Jahreswechsel 2005/2006 habe ich in Sardes und Philadelphia H.H. Rowleys Buch: Apokalyptik – ihre Form und Bedeutung zur biblischen Zeit» gelesen. Diese Abhandlung mit dem Untertitel: «Eine Studie über jüdische und christliche Apokalypsen vom Buch Daniel bis zur geheimen Offenbarung» habe ich unterwegs in mein Tagebuch frei und kurz zusammengefasst. Hier diese Notizen, die noch Spuren des Reiseberichts aufweisen.

Ich verbringe den Abend etwas einsam, allein in meinem Zimmer. Ich lese einen ganzen Aufsatz über die Entstehung der Apokalyptik von H.H. Rowley. Ich merke dabei, dass ich noch mehr über die damalige Zeit wissen muss. Die politischen Umstände in Palästina in den zwei Jahrhunderten vor Christus sind sehr entscheidend für das Verständnis der Apokalyptik. Das ist der Boden, auf dem die Visionen vom Ziel der Welt entstehen konnten. Ich wusste gar nicht, wie sehr die Juden unter dem Seleukidenkönig Antiochus IV leiden mussten. Da entstand das Buch Daniel und mit ihm die eigentliche Apokalyptik.

Ursprünge in der Prophetie
Die Apokalyptik ist aus der Prophetie herausgewachsen, beide Elemente der Prophetie - die Vorhersage und das ethisch-religiöse Verhalten - hat sie spezifisch transformiert.
Stets geht es um Politik, um Religionspolitik. Die frühen Propheten haben im 7. Jh. von Chr. noch eine Politik gegen die eigenen Könige vertreten, welche sich von gut bezahlten Hofgeistlichen leiten liessen und mit Bündnispolitik oder Krieg ihre Sache zu verteidigen suchten. Dem gegenüber betonten die frühen Propheten, dass es auf das ethische Verhalten des Volkes ankommt, auf die Gotterfurcht und die Treue gegenüber Jahwe. Bereits haben sie von einem «Tag Gottes» gesprochen, welcher der Wahrheit und Gerechtigkeit zum Durchbruch verhelfen wird. Jesaia schildert ein Friedensreich, wo der Löwe mit dem Schaf weiden wird, er sieht die Stämme Israels sich neu um den Berg Zion sammeln: Joel spricht vom Geist, der über alle Menschen kommen wird und Sacharia sieht die Herrschaft Jahwes über die ganze Erde verbreitet. Nach Micha soll die Davidische Linie wieder zu Ehren kommen, aus Bethlehem wird der Gesalbte kommen. Jesaia sieht dies Reis sprossen.

Vorläufer Daniel
Nach Jahrhunderten der Unterdrückung, dann vor allem unter Antiochus IV, der den Tempel entehrt, die jüdische Religion verbietet und deren Bücher konfisziert, spitzt sich die Lage zu. Die Makabäer wagen den Aufstand. Im Buch Daniel werden in Bildern, die einige Jahrhundert vorher angesiedelt werden, die Szenen der Gegenwart beschrieben. In Nebukadnezar konnte Antiochus erkannt werden. Daniel und die Seinen sind die neuen Helden, die Heiligen, die zu Gott halten und von Gott wunderbar bewahrt werden. Gott ist auf der Seite der wenig Getreuen, die Heidenvölker werden zu Feinden des Glaubens, welche den Getreuen Leiden bringen. Daniel 7 bringt das aus dem Orient stammende Schema der vier Reiche, die einander ablösen. Die vier Reiche werden je durch Tiere aus dem Abgrund dargestellt, das letzte Reich, welches das vierte Reich ablösen wird, kommt von oben durch den Menschensohn, der bei Daniel noch eine Idealfigur ist, welche die «Heiligen des Allerhöchsten» repräsentiert. Erst im Wirken Jesu auf Erden hat die Gestalt des Menschensohns individuelle Züge erhalten. Jesus selbst hat sich immer wieder als der Menschensohn bezeichnet, nicht aber öffentlich als Messias. Im Christentum ist dann die Messiasgestalt und der Menschensohn zusammengewachsen. Das kommende Reich wird durch den mit den Wolken kommenden Christus durchgesetzt. Die Apokalypse des Johannes beginnt mit der Erscheinung des Menschensohns. Er gibt den sieben Gemeinden eine Botschaft und zeigt Johannes in Bildern, wie sich auf Erden das verheissene Reich gegen alle Widerstände durchsetzen wird.

Der politische Charakter der Apokalypsen
Soweit meine Zusammenfassung von der Entstehung der Apokalyptik.
Mir wird der politische Charakter der Offenbarung bewusst. Das Muster des Konflikts ist überzeitlich und lässt sich auch auf andere Religionen übertragen. Gottes Weisungen gelten dem ganzen Leben. Doch die Politik lässt sich da nur bedingt einspannen. Ist die Politik religiös, wird sie leicht korrupt, hörig und anpasserisch. Diesen Vorwurf musste die jüdische Tempelobrigkeit mit ihren Hellenisierungstendenzen in der Zeit vor Christus sich machen lassen, in diesem Sinne spricht auch die Apokalypse von Juden, die eigentlich keine Juden mehr sind, sondern in ihrer Anpassung an die heidnische Politik zur «Synagoge des Satans» geworden sind. Und auch die in den Sendschreiben verurteilt Nikolaiten werden wegen ihrer Synkretismus verurteilt. Denselben Vorwurf, sich der säkularen Welt angepasst zu haben, bringen die Freikirchen gegen über den Landeskirchen vor. Auch hier in der Türkei werfen die religiös Orientierten den staatlichen Religionsvertretern einen Verrat des Islams vor.
Die Apokalypsen kennen aber eine Steigerung dieses Konflikts. Da ist der Staat nicht mehr von der gleichen religiösen Partie, sondern deklarierte Gegenmacht zu der Versammlung der Gläubigen. Der Staat verfolgt die Getreuen und will sie ausrotten, doch Gott wirft sich auf die Seiten der Seinen, sammelt sie im Himmel und rächt die Untaten der Feinde. Gott selber wird den Seinen zur Herrschaft verhelfen, bedingt auf Erden, aber in ewiger Herrlichkeit im Himmel beim Thron Gottes.

Das Ende der Welt in der Sicht des Korans
Übrigens spricht auch der Koran von einer allgemeinen Verschlechterung der Zeiten vor dem Jüngsten Gericht. Das islamische Gesetz werde dann gering geachtet, ja verhöhnt. Dann tritt ein Mahdi - ein von Gott Geleiteter - auf und stellt vorübergehend die Rechtsordnung wieder her. Das ist das goldene Zeitalter der Kalifen. Doch nacheinander stürzen der Antichrist, ein apokalyptisches Tier und die kriegerischen Völker Gog und Magog alle Welt in die Gottlosigkeit. Endlich kehrt Jesus aus den Himmeln auf die Erde zurück, tötet den Antichrist mit seiner Lanze und besiegt Gog und Magog. Er wird sich zum Islam bekennen, heiraten, Kinder zeugen, alles Schweine schlachten, die Kopfsteuer der Nichtmoslems aufheben und sein irdisches Reich des Friedens und der Gerechtigkeit aufrichten. Nach vierzig Jahren wird er sterben und in Medina neben Mohammed beigesetzt werden. Endlich verkündet ein Engel mit der Posaune den Beginn des Jüngsten Gerichts. Alles Leben stirbt, die Welt wird zerstört. Gott schafft eine neue Ordnung, erweckt die Erzengel zu neuem Leben, die Seelen vereinigen sich mit den früheren Leibern. Gott steigt zur Erde und alle sehen ihn so klar wie den Vollmond bei Nacht. Er richtet einen jeden nach dem Buch, in dem die Taten eines jeden stehen. Auf die Verdammten warten Feuer, Kälte, Schlangen, Skorpione, Schläge und Gestank, auf die Seligen kühle Ströme herrliche Fruchtbäume und die schwellenden Brüste der Huris, der bis zu dieser Stunde unberührten Jungfrauen. (Nach Horst Dallmayer: Die sieben Leuchter)

Die Bedeutung der Apokalyptik in biblischer Zeit
Nun aber zu dem Buch, das ich im Teehaus lese. Hier behandelt Rowley die Apokalyptik im Allgemeinen. Es packt mich richtig, sodass ich gegen vier Stunden im Teehaus sitze und lese: Über andere Apokalypsen vor und nach Christi Geburt. Da treffe ich auf viele Bilder und Elemente, die auch in der Johannesoffenbarung vorkommen. In einigen Apokalypsen sind gewisse Bilder ausführlicher entfaltet als bei Johannes. Ich kann die Entwicklung der apokalyptischen Themen verfolgen: Die Ausbildung der Engellehre, die Ideen von Weltzeitaltern, die Schichtung der Himmel, das Gegenreich und der Gegenmessias. Aufschlussreich sind die verschiedenen Ideen von der Erneuerung des Reiches und der Rolle des Messias. Generell pendeln die Anschauungen zwischen einer irdisch vorgestellten, nationalen Weltherrschaft der Juden, welche die getöteten Märtyrer dank ihrer Wiederbelebung oder Auferstehung miterleben, oder es werden wunderbare Jenseitswelten geschildert, welche den Gerechten die auf Erden nicht mögliche Fülle verspricht.

Jesus Selbstverständnis als Menchensohn
Spannend wird es da, wo Rowley die «Kleine Apokalypse» behandelt, welche Jesus in den Mund gelegt wird (Markus 13). Jesus hält diese Rede über die Endzeit, wie er vor Jerusalem mit den Jüngern auf den Tempel blickt. Es werde da kein Stein auf dem andern bleiben. Kriege, Abfall vom Glauben und «Gräuel der Verwüstung» sind die Zeichen des anbrechenden Endes, wo mit dem Kommen des Menschensohns ein Gericht über die Welt ergeht und der Tag Gottes sich offenbart. Wie weit diese Reden über die Endzeit tatsächlich auf Jesus zurückgehen, ist umstritten. Für Rowley ist es klar, dass Jesus sich als der Menschensohn des Danielbuches verstanden hat. «Der Menschensohn war meiner Meinung nach ursprünglich eine Kollektivvorstellung; er wurde dann in späterem Denken individualisiert zur Person dessen, der Führer und Repräsentant des Kollektivs sein sollte und der die Sendung des Kollektivs in besonderer und erhabener Weise in sich selbst verkörperte und ausdrückte. Da Jesus als Jude mit diesem charakteristischen Zug des hebräischen Denkens vertraut war, konnte er, wenn er vom Menschensohn sprach, sowohl an sich selbst als Menschensohn denken, als auch gleichzeitig an das Reich, das er repräsentierte, für das der Menschensohn Symbol war. Jesus war als Menschensohn gekommen, den Menschensohn zu bringen, das ewige Reich der Heiligen zu stiften. Aber von dem Augenblick an, da Jesus zu der Erkenntnis kam, dass er auch der leidende Gottesknecht sei und dass diese beiden bis jetzt völlig getrennten Gestalten in ihm nun verbunden würden, von diesem Augenblick an wusste er, dass er in seinem irdischen Wirken nicht die Vollendung des von Daniel 7 erhofften ewigen Reiches repräsentieren könne. Jesus war also gekommen, als leidender Gottesknecht das Reich durch Leiden zu gründen, aber wenn er den Menschensohnanspruch nicht völlig aufgeben wollte, wenn er die Vorstellung vom Menschensohn als Herrlichkeitsgestalt nicht verkehren wollte, dann musste er daran festhalten, dass die Vollendung des Reiches glorreich sein werde, dass es mit Autorität und Macht ausgestattet sein werde. Daher muss der Begründung des Reiches in seinem Leiden die Vollendung in Herrlichkeit folgen.» Soweit Rowley (Seite 110) zum Selbstverständnis Jesu. Er führt dann einige Stellen an, wo Jesus vom künftigen Kommen des Menschensohns spricht. Da komme das kollektive Verständnis noch zum Ausdruck, man könne darin auch das Kommen des Reiches sehen. Wenn die kleine Apokalypse vom Kommen des Menschensohns in den Wolken mit grosser Macht und Herrlichkeit spricht, so sei das ein Symbol für das kommende Reich in seiner Vollendung. Jesus ist auch als Auferstandener im Geist bei den Seinen. Aber das Reich drängt zur Vollendung im zweiten Kommen des Menschensohns als Repräsentant und Haupt der alles verwandelnden Neuen Schöpfung.
Mit diesem Kommen in den Wolken des Himmels beginnt die Johannesoffenbarung.

 

 
 
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