Das Kommen des Menschensohns in den Wolken des Himmels

«Siehe, er kommt mit den Wolken, und es werden ihn sehen alle Augen … » (Apk. 1,7)
… Und ich wandte mich um, zu sehen nach der Stimme, die mit mir redete. Und als ich mich umwandte, sah ich sieben goldene Leuchter und mitten unter den Leuchtern einen, der war einem Menschensohn gleich, angetan …» (Apk. 1, 12-113)

Johannes wurde an einem Sonntag auf Patmos «vom Geist ergriffen» und er hörte hinter sich «eine große Stimme wie von einer Posaune». Er vernimmt seinen Auftrag. Er soll, was ihm gezeigt wird, aufschreiben und den sieben Gemeinden schicken. Der Audition oder Inspiration folgt die Schau, die Imagination. Er wandte sich um und sah zuerst « sieben goldene Leuchter und mitten unter den Leuchtern einen, der war einem Menschensohn gleich.» Johannes beschreibt dann die Gestalt des Menschensohns. Zu dessen Erscheinung gehören hier folgende Wesensmerkmale, durch welche Christus sich in den Sendschreiben je verschieden an die Engel der Gemeinden wendet:

Johannes erblickt die Gestalt des Menschensohns:
- er steht inmitten des siebenarmigen Leuchters,
- er ist angetan mit einem langen Gewand
- und gegürtet um die Brust mit einem goldenen Gürtel.
- Sein Haupt und sein Haar war weiß wie weiße Wolle, wie der Schnee,
- und seine Augen wie eine Feuerflamme
- und seine Füße wie Golderz, das im Ofen glüht,
- und seine Stimme wie großes Wasserrauschen;
- und er hatte sieben Sterne in seiner rechten Hand,
- und aus seinem Munde ging ein scharfes, zweischneidiges Schwert,
- und sein Angesicht leuchtete, wie die Sonne scheint in ihrer Macht.
Der Menschensohn segnet Johannes und spricht:
- Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte
- Ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit
- und habe die Schlüssel des Todes und der Hölle
Germeinde
> Ephesus
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> Thyatira
> Thyatira
> Ephesus
> Sardes
> Pergamon
>
>
> Smyrna
> Smyrna
> Philadelphia

> Laodicea
Varianten
> der da wandelt mitten unter den 7 goldenen Leuchtern

> der Sohn Gottes


> der die sieben Geister Gottes hat




> der Heilige, der Wahrhaftige
> der «Amen»,
der treue und wahrhaftige Zeuge,
der Anfang der Schöpfung Gottes

Ich kann nicht aus eigener Erfahrung sprechen, wenn ich nun über die Schau des Menschensohns «im Geiste» zu schreiben versuche. Ich weiss von Träumen, in denen ich in Bildern der eigenen Seele lebe und teils wach wahrnehme, was darin wahrnehmbar wird. Je nach Traum hatte ich schon die Erfahrung, dass sich in den Bildern etwas ausspricht, das andern Sinnzusammenhängen entspringt.

Vom Wesen der Schau: Eine Offenbarung Jesu Christi
In der Vision des Johannes müssen sich solche Sinnzusammenhänge höherer Welten im Bild der Schau kundgetan haben. Die von ihm aus der Tradition bekannten Bilder (der Menschensohn in Daniel 7,13ff.) erscheinen in neuer Wese in seiner Seele und zeigen die geistige Erscheinung an. Er ist im Geiste in einem feinstofflichen Bereich, in den «Wolken des Himmels», welche ein Bild sind für den Zwischenbereich zwischen Himmel und Erde, in welchem der wiederkommende Herr erscheinen kann und zuerst wahrgenommen wird. Die Anthroposophie spricht von der Aetherwelt, welche die irdische Welt als feinstoffliche Schwingungen umgibt, durchdringt, belebt und mit den höheren Wirklichkeiten verbindet. Über die Schau des Christus in einer feinstofflichen Zwischenwelt habe ich übrigens ein schönes Büchlein gefunden. Da hat ein Journalist über ein Inserat weltweit in den grössten Zeitungen nach Menschen gesucht, die eine Christuserscheinung hatten. Das Büchlein (>>> Hillrtfsl,G./Gustafson, B.: Sie erlebten Christus: Verlag die Pforte, Basel, 1973) schildert Christuserscheinungen aller Art, die aber auch Gemeinsamkeiten aufweisen. Ich bin selber Menschen begegnet, die durch eine solche Erscheinung verwandelt wurden und eine Wende in ihrem Leben erfahren haben.
Der Erscheinen der Verstorbenen in halbwachem Zustand ist übrigens ein weltweit verbreitetes Phänomen, bei dem aber oft die Frage zurückbleibt, ob die gefühlte oder geschaute Nähe des verstorbenen Menschen nur aus der eigenen Seele aufsteigt, quasie als Sehnsuchtsbild. Geübte Träumerinnen und Träumer, so habe ich oft vernommen, könnten da aber durchaus unterscheiden, was aus der eigenen Seele stammt und was die Realität ist, die sich in den Bildern aus einer andern Dimension kundtut.

Bei Johannes ist es nun nicht einfach nur eine traumartige Ahnung eines Verstorbenen. Es ist die «Apokalypsis Jesu Christu», die Offenbarung Jesus Christi, wie es in den ersten Worten der Johannesoffenbarung heisst – in Worten, die dem Buch auch den Namen gegeben haben. Die ganze Apokalypse ist diese Offenbarung. Die Erscheinung des Menschensohns im ersten Kapitel, das, was er nun «gesehen hat», gehört dazu, aber auch das «was ist und was geschehen soll danach» (Apkl. 1,19), also die Sendschreiben («was ist», Kap. 2 und 3) und die Vision («was geschehen soll darnach», Kap. 4 bis 22). –«Schreibe, was du gesehen hast und was ist und was geschehen soll danach.» So darf die Erscheinung des Menschensohns nicht von dem getrennt werden, was als Sendschreiben und als Vision folgt. Die ganzen 22 Kapitel sind die «Apokalypsis», die Offenbarung Jesu Christi. Johannes schaut ihn in den Wolken des Himmels mit charakteristischen Zügen, welche in den Sendschreiben wieder erscheinen und in den Visionszyklen dynamisch wirkend sich in der Weltgeschichte bis zur Verwandlung der alten Schöpfung in die neue kundtun.

1. Der Menschensohn wandelt mitten unter den sieben goldenen Leuchtern
«Und als ich mich umwandte, sah ich sieben goldene Leuchter und mitten unter den Leuchtern einen, der war einem Menschensohn gleich, …» (Apkl. 1.13). Johannes erblickt zuerst die sieben goldenen Leuchter, welche in der Deutung (Apk.1,20) als Bild für die sieben Gemeinden erklärt werden. Das ist der erste und darum auch wichtige Charakterzug des Menschensohns. Er steht in Beziehung zu den sieben Gemeinden. Denn die Stimme, die wie eine Posaune erklang, hatte eben noch zu Johannes gesagt: «Was du siehst, das schreibe in ein Buch und sende es an die sieben Gemeinden: nach Ephesus und nach Smyrna und nach Pergamon und nach Thyatira und nach Sardes und nach Philadelphia und nach Laodizea.» (Apk. 1,11) Wie er sich nun umwendet, sieht er diese Gemeinden im Bild der Leuchter. Und inmitten den Leuchtern sieht er den, der einem Menschensohn ähnlich war. Im ersten Sendschreiben wird dieses Bild aufgegriffen. An den Engel der Gemeinde in Ephesus richtet sich der, welcher «wandelt mitten unter den sieben goldenen Leuchtern».
Dass sich der Menschensohn der Gemeinde Ephesus so vorstellt, deutet auf eine gewisse Leitungsfunktion dieser Gemeinde. Ephesus wird den Überblick über das ganze der Kirche, die von der ersten Liebe zusammengehalten wird, anbetraut; das zeigt auch die Kritik und die Wahrnung an den Engel der Gemeinde in Ephesus: «Aber ich habe gegen dich, dass du die erste Liebe verlässt. So denke nun daran, wovon du abgefallen bist, und tue Buße und tue die ersten Werke! Wenn aber nicht, werde ich über dich kommen und deinen Leuchter wegstoßen von seiner Stätte - wenn du nicht Buße tust.» (Apk. 2, 4-5) . Wenn Ephesus nicht bei seiner ersten Liebe bleibt, wird es seine Leitungsfunktion verlieren.
Das Bild von Christus, wandelnd mitten unter den sieben Gemeinden, deutet auf die enge Verbindung des Christus zu den Seinen . Die Kirche zu allen Zeiten und an allen Orten lebt von dieser Verbindung. Darum müssen auch die sieben Gemeinden eher für die weltweite, zeitübergreifende Kirche stehn und nicht bloss für die damaligen sieben Gemeinden. Zur Erscheinung des Menschensohns gehören die sieben Gemeinden, welche die Kirche in ihrer siebenfachen {zeitlichen?) Entfaltung bedeuten. Dabei wurde schon in der alten Kirche, dann aber vor allem im Pietismus, an Phasen der realen Kirche gedacht – ab Pfingsten. Meiner Ansicht nach ist diese Sicht möglich, aber sie muss ergänzt werden durch eine Deutung der sieben Gemeinden, welche über die Kirche hinaus geht und die Menschheit in den Blick bringt. Christus ist ein kosmisches Wesen, das sein Werk schon vor seiner Inkarnation begonnen hat und es bis ans Ende der Welt vollenden wird. Darum können die sieben Gemeinden auch stehen für umfassendere Zeitepochen oder gar die ganze Schöpfung auf dem Weg zur neuen Schöpfung. Christus wandelt unter den sieben Leuchtern, welche für die Phasen stehen, in denen der Logos, das Wort Gottes, an der Schöpfung und am Menschen gewirkt hat und wirken wird. >>> Exkurs zu den sieben Verkörperungen der Erde Steiner nach Rudolf Steiner

Diese anthroposophische Sicht hat etws bestechendes, weil sie einen menschheitlichen und kosmlogischen Blick auf die Apokalypse erlaubt. Die weiteren Visionszyklen zeigen dann in Bildern jene Prozesse, welche diese künftigen Verwandlungen der Menschheit zeigen bis hin zu jenem Punkt, wo die Erlösten mit Christus regieren, an seinem Tisch Mahl halten und im neuen Jerusalem eine ewige, bleibende neue Schöpfung bilden. Auf eine kosmologische, die ganze ERdgeschichte umfassende Deutung der sieben Gemeinden drängt sich auch durch Analogien zu den sieben Schöpfungstagen von Genesis 1 auf.
Sicher deutet das Bild vom Christus, der imitten der sieben Lichter wandelt, auf ein siebenfaches Wirken des Christus – er hat auch die sieben Sterne in seiner Hand, welche die sieben Engel repräsentieren und die wiederum die sieben Geister Gottes vor dem Thron auf Erden manifest machen. Christus ist in allen sieben Evolutionsschritten präsent mit einer spezifischen Selbstoffenbarung und Wirksamkeiten und leuchtet allen Zeiten als der inmitten der Leuchter wandelnde Menschensohn , als das lebendige, offenbare Ziel, das vollendete Menschsein.
Die Apokalypse Jesu Christi ist die Schau des Menschensohns in seinem Werk an den sieben Gemeinden, die wir als Menschen repräsentieren durch die Zeiten hindurch und die wir auch in uns tragen als siebengliedriger Mensch, auch in den sieben Zentren (Chakras) des Leibes. Die Katastrophenbilder der Offfenbarung zeigen daher einen menschheitlichen Aspekt der Evolution – sofern die Menschheit sich an die Vergänglichkeit klammert und nur über den Fall Babylons davon befreit wird; und sie bedeuten auch die seelischen Katastrophen, die jeder Mensch in seiner Entwicklung erfährt, wenn er von seiner Fesselung an die Vergänglichkeit befreit wird.